Rezension zur 4. Neuauflage 2014 des Buches
„Umweltschadstoffe und Neurodegenerative Erkrankungen des Gehirns (Demenzkrankheiten)“
Autor: H.U. Hill, Shaker-Verlag, Aachen, 2014
Seit der 3. Neuauflage 2012 hat es eine Fülle neuer Erkenntnisse zu den Mechanismen neurodegenerativer Krankheiten im Gehirn gegeben, die auf dienen Umweltbezug dieser Krankheiten hinwiesen, und die schon jetzt (Anfang 2014) eine Neuauflage erforderlich erscheinen ließen.
Schon zur 3. Neuauflage 2012 wurden neue Erkenntnisse der Neurowissenschaft verwertet, nach denen Entzündungsvorgänge im Gehirn nicht nur bei den beschriebenen Umwelt- und Demenzkrankheiten, sondern auch bei fast allen psychiatrischen Krankheiten eine große Rolle spielen. Als Ursachenfaktoren kommen neben Umwelteinflüssen (Schadstoffe, Allergene, Infektionserreger) auch chronischer psychosozialer Stress in Frage. Ein Zusammenwirken von hoher Stressbelastung mit den genannten Umweltfaktoren führt demnach zu einem besonders hohen Risiko für psychiatrische und Demenz-Erkrankungen. Diese nun erwiesene Tatsache ist von großer Bedeutung für die präventive Umwelt- und Gesundheitspolitik und sollte entsprechende Anwendung im Gesundheitswesen und Umweltschutz finden.
Chronisch-entzündliche Multisystem-Krankheiten wie MCS (Multiple Chemical Sensitivity) und CFS/ME (Chronisches Erschöpfungssyndrom/ Myalgische Enzephalopathie), Demenzkrankheiten und psychiatrische Krankheiten zeigen bei den biochemischen Pathomechanismen offenbar wesentliche gemeinsame Merkmale (wie z.B. Entzündungsprozesse im Gehirn, Exzitotoxizität durch übererregte NMDA-Rezeptoren, Oxidativer und Nitrosativer Stress, Funktionsdefekte der Mitochondrien, Energiemangel im Gehirn), die darauf hindeuten, dass eine Trennung von „psychischen“ und organischen Krankheiten obsolet ist, und dass möglicherweise alle diese Krankheiten gemeinsame Ursachenfaktoren besitzen, die neben genetischen Faktoren vorwiegend in der Umwelt zu suchen sind: Umweltschadstoffe, allergische Reaktionen des Immunsystems, chronische Virus- und Bakterien-Infektionen, Autoimmunreaktionen, chronischer psychischer Stress. Diese Faktoren fördern ein Entzündungsgeschehen im Gehirn, das in einen fortschreitenden degenerativen Prozess münden kann. Dieses Thema wurde nun für die 4. Auflage ergänzt und vertieft.
Auch gibt es neue Erkenntnisse zur Funktion des Hippocampus im Zusammenhang mit neurodegenerativen Krankheiten, die in einem eigenen Kapitel referiert werden (2.2.22). Dieser Teil des Gehirns ist als Zentrum des Arbeitsgedächtnisses und Eingangsspeicher für ankommende Informationen einerseits besonders anfällig für Schäden durch Umwelt-Einwirkungen, andererseits besitzt er eine besondere Regenerationsfähigkeit durch teilungsfähige neuronale Stammzellen.
Immer offensichtlicher werden ferner Wechselwirkungen zwischen hormonwirksamen Umweltgiften, Krankheiten des Metabolischen Syndroms (Diabetes, Adipositas, kardiovaskuläre Krankheiten) und neurodegenerativen Krankheiten, wobei systemische Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle spielen (Kapitel 2.2.13). Diese Zusammenhänge erschienen aus Sicht der Umweltmedizin so bedeutsam, dass sie 2013 in einem eigenen neuen Buchprojekt mit dem Titel „Umweltschadstoffe, Metabolisches Syndrom und Demenzkrankheiten“ vertieft wurden (siehe eigene Rezension und beim Shaker-Verlag).
Hinzu kommen neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Epigenetik und zu molekularen Mechanismen bei chronischen Multisystem-Krankheiten, die in der 4. Neuauflage (Kapitel 2.2.24 und 2.2.25) berücksichtigt werden mussten. So genannte Mikro-RNAs gewinnen immer mehr an Bedeutung bei der Regulation von Signalprozessen in den Zellen des Hormon-, Immun- und Nervensystems. Umwelteinflüsse wie Fremdstoffe, Stress und Ernährung können die Aktivität von Genen beeinflussen und dadurch chronische Krankheiten verursachen. Wenn dies während der vorgeburtlichen Entwicklung des Embryos und Fötus geschieht, können die gesundheitlichen Folgen das spätere Leben schwer beeinträchtigen.
Die genaueren Beschreibungen der hochempfindlichen Regulationsmechanismen des neuroendokrin-immunologischen Systems sollen deren Anfälligkeit gegenüber auch geringsten Umwelteinflüssen verdeutlichen. Dies trifft besonders für das Gehirn und die dort ausgelösten neurodegenerativen Mechanismen zu. Verantwortliche Stellen im Gesundheitswesen und in der Umweltpolitik sollen dazu motiviert werden, das Thema Prävention in Richtung der Vermeidung von Schadstoffen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie z.B. Land- und Lebensmittel-Wirtschaft, Gesundheitswesen, Verbraucherprodukte, ernst zu nehmen und in die Praxis umzusetzen.
Das Buch ist daher recht „wissenschaftlich“ geraten, da die Fakten beweiskräftig auf den Tisch gelegt werden müssen. Spekulationen und Halbwahrheiten soll damit vorgebeugt werden, aus Gründen der Glaubwürdigkeit bei einem gesellschaftlich hoch brisanten Thema, das sich um die Ursachen der rasant zunehmenden Demenzkrankheiten dreht.
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Rezension zum Buch:
„Umweltschadstoffe, Metabolisches Syndrom und Demenzkrankheiten“
von H.U. Hill, Shaker-Verlag, Aachen, 2013
In der aktuellen wissenschaftlichen Medizin gibt es immer mehr Hinweise auf Zusammenhänge zwischen der Belastung durch eine Kombination aus Umweltchemikalien und zunehmendem psychosozialen Stress einerseits und den Krankheiten des so genannten „Metabolischen Syndroms“ andererseits, zu denen Diabetes (Typ II), Fettleibigkeit (Adipositas) und kardiovaskuläre Krankheiten gehören. Andererseits häufen sich Befunde über Zusammenhänge zwischen diesen Krankheiten des Metabolischen Syndroms und neurodegenerativen Prozessen im Gehirn, die zu Demenzkrankheiten führen.
Das Anliegen dieses Buches ist es, in der Öffentlichkeit auf die oben genannten und wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhänge hinzuweisen und dies anhand der dokumentierten Fakten zu begründen. Es wird deutlich gemacht, dass eine Belastung durch Umweltschadstoffe zusammen mit psychosozialem Stress über den „Umweg“ der Krankheiten des Metabolischen Syndroms letztlich das Risiko, an Demenz zu erkranken, wesentlich verstärkt. Mit „Öffentlichkeit“ gemeint sind hier das öffentliche Gesundheitswesen und alle mit Umweltschutz befassten Institutionen und Verbände, aber auch die medizinischen Fachbereichen der Inneren, Umwelt-, Arbeits- und Sozialmedizin, sowie die Praktiker der ambulanten und klinischen (Umwelt-)Medizin, und nicht zuletzt die betroffenen Patienten und ihre Interessenvertretungen.
Bislang galt in der präventiven Medizin fast ausschließlich das Paradigma, dass die Krankheiten des Metabolischen Syndroms, darunter insbesondere die krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas), auf falsche Verhaltensdispositionen der betroffenen Patienten zurückzuführen seien. Falsche und übermäßige Ernährung, Drogenkonsum sowie Bewegungsmangel werden als Hauptfaktoren dieser Krankheiten selbst von maßgeblichen internationalen Organisationen wie die OECD propagiert. Präventionsprogramme des öffentlichen Gesundheitswesens und der Krankenkassen setzen nahezu ausschließlich auf Schulungen, um dieses Verhalten zu ändern. Betroffene Patienten sehen sich daher in der Öffentlichkeit und in ihrem persönlichen Arbeits- und Familienumfeld einer herabsetzenden und diskriminierenden Behandlung ausgesetzt. Schließlich seien sie an ihrer Krankheit und deren sozialen Folgen selbst Schuld, sie tun zu wenig für Ihre Gesundheit. Da auch der Zusammenhang zwischen den Krankheiten des Metabolischen Syndroms und Demenzkrankheiten immer offensichtlicher wird, wird die zunehmende Häufigkeit der Demenzkrankheiten in der Bevölkerung in der herrschenden Lehrmeinung letztlich ebenfalls allein auf Verhaltensdefizite der einzelnen Betroffenen zurückgeführt.
In dem vorliegenden Buch soll anhand von Fakten aus der Fachliteratur begründet werden, dass es eine ganze Reihe von Krankheitsfaktoren gibt, die nicht von den einzelnen Betroffenen und deren Verhalten zu verantworten sind, sondern die in den sich verändernden Bedingungen der Umwelt und der gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse zu suchen sind.
Für das öffentliche Gesundheitswesen und den politischen Umweltschutz ergeben sich aus diesen Erkenntnissen Ansatzpunkte für veränderte Präventionsmaßnahmen, die nicht bei individuellen Ermahnungen und Umschulungen von einzelnen Betroffenen stehen bleiben dürfen. Der Schutz der gesamten Bevölkerung vor Stress- und Schadstoff-belasteten Arbeits- und Lebensverhältnissen muss demnach im Vordergrund stehen, gefragt ist ein wirksamer Umweltschutz vor schädlichen Chemikalien und eine Veränderung der stressbelasteten Arbeits- und Lebensverhältnisse. So müssen beispielsweise Lebensmittel vor schädlichen Zusatzstoffen und unnötigen Zuckerzusätzen und die Landwirtschaft von neurotoxischen Pestiziden freigehalten werden. Ob dies gegen die Interessen der produzierenden Industrie durchgesetzt werden kann, ist eine Frage der Politik und des Engagements der Verbände und Betroffenen.
Januar 2014, H.U. Hill