Krebs und Umwelt - ein umkämpfter Zusammenhang

06.02.2015, Rudolf Stratmann

Seit den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen über die krebserzeugende Wirkung des Rauchens sollte jedermann bekannt sein, dass wissenschaftliche Erkenntnis über gesundheitsschädliche Umweltverschmutzung nicht automatisch in vernünftige politische Regulierung und vernünftige Umgestaltung von gesellschaftlicher und individueller Lebensgestaltung umgesetzt wird. Bis heute ist das Werbeverbot für Tabakwaren in Deutschland nicht durchgesetzt (neben Bulgarien in Europa einmalig), dank besonders krasser Rücksichtnahme deutscher Regierungen gegenüber der Tabak-Industrie.

Was aber war / ist die wissenschaftliche Beweisführung, dass Rauchen Krebs erzeugt?

Seit über 60 Jahren ist bekannt, dass Rauchen Krebs und Herz- und Kreislauferkrankungen hervorruft, was den industriellen Herstellern bekannt war, worüber sie aber die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen und belogen haben, s. dieses Buch von Prof. Adams "Das Geschäft mit dem Tod". Wären die Tabakkonzerne in Verbindung mit einer Kultur, dass Rauchen cool sei, nicht lange Zeit von den öffentlich-staatlichen Kontroll-Stellen weitestgehend in Ruhe gelassen worden, hätten wahnsinnig viele Menschenleben gerettet werden bzw. hätten die Betroffenen ein normales Leben zu Ende führen können.

Aber war es nicht so, dass der eine Raucher / die eine Raucherin Krebs bekam, der/die andere aber nicht? Und haben wir bis heute gerade in Deutschland nicht einen Alt-Bundeskanzler, der sich gern mal mit Zigarette zeigt, aber mit seinem jahrzehntelangen Rauchen schon sehr alt geworden ist?

Es geht bei der Beweisführung für ursächliche Faktoren der Krebsentstehung NICHT um den Individual-Nachweis, der ist nicht zu führen. Es geht immer um den epidemiologischen Nachweis, also über statistische Verfahren, die ganze Populationen betrachten und im Vergleich Besonderheiten herausfinden, die mehr oder weniger "beweisträchtig" sind. Diese so gefundenen "Risikofaktoren" kann man dann im Einzelfall in der individuellen Anamnese berücksichtigen: hat jemand geraucht, war er länger Benzol-Dämpfen ausgesetzt, hat er in der Asbest-Industrie gearbeitet usw. - diese Fragen sind relevant, nicht weil deren Bejahung im Einzelfall zu einer ursächlichen Beweisführung für vorhandene, diagnostizierbare Erkrankungen führt oder weil man dann bestimmte Erkrankungen voraussagen kann, sondern weil es dafür epidemiologische Nachweise gibt.

Im Falle des Rauchens allerdings fiel dieser epidemiologische Nachweis sehr stark aus. Dies soll kein Artikel übers Rauchen sein, insofern hier nur der Hinweis auf eine NEJM-Veröffentlichung von einem der weltweit wohl bekanntesten Epidemiologen, Richard Peto, aus dem Jahre 2014, in dem sich alle entsprechenden Literatur-Verweise finden lassen.

Ganz egal, welche Risikofaktoren und deren Nachweis betrachten: Es geht immer nicht nur um wissenschafliche Fakten, sondern auch um Wirtschaft+Politik+Macht. Die entsprechenden Industrien haben mit ihrer Finanzmacht und ihrer auch wissenschaftlich erkauften Sach-Kompetenz Jahre- oder Jahrzehnte dagegen gehalten und machen das bis heute, ob das Rauchen, Benzol, Abgase der Autoindustrie, Asbest oder sonstwas ist.

In den aktuellen Auseinanderetzungen über eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch die Emissionen der Öl- und Gasindustrie in Niedersachsen stellen sich die Fragen nicht anders als bei den bisherigen, entsprechenden Auseinandersetzungen auch.

"Der Verdacht ist noch nicht begründet!"

Das ist so eine von diesen Behauptungen, die ins Feld geführt werden, wenn es beispielsweise um die Frage geht, ob die unstrittigen Benzol-Emissionen in Rodewald ursächlicher Faktor für die auffällige Häufung von Leukämie-Erkrankungen gewesen sein könnten.

Wer auch immer so argumentiert (Namen muss ich hier nicht nennen, es handelt sich aber bei allen in diesem Artikel angeführten Zitaten um politische Amtsträger, von unten bis oben, von der Landkreisebene bis zur Bundesregierung), hat nicht mitbekommen oder will es die Öffentlichkeit nicht wissen lassen, dass Benzol ein anerkannter Risikofaktor für die Entstehung von Leukämie ist (s. auch Artikel zur Leukämie). Da das so ist, liegt solch ein ausgesprochener Verdacht nicht in weiter Ferne, sondern auf der Hand. Umgekehrt: Von diesem Wissens-Niveau, dass Benzol Leukämie macht, kann ausgegangen werden und dann bei der Erhebung sowohl der statistischen Daten per Krebs-Cluster-Untersuchung als auch in der individuellen Anamnese Berücksichtigung finden. Der Verdacht, es könnte das Benzol sein, ist längst dadurch begründet, dass durch epidemiologischen Nachweis, der auch längst anerkannt ist, Benzol ein entsprechender Risikofaktor ist.

 

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Hier ein Artikel "Krebs und Umwelt", erschienen im Nov. 2011 auf der Seite der ProMann Selbsthilfegruppe Prostatakrebs Hamburg:

http://www.promann-hamburg.de/Umwelt.htm