Artikel von Dr. Ionescu in der umg 02/2015

Die in diesem Artikel vorgestellte Arbeit von Dr. Ionescu ist als umg-Sonderdruck erschienen und kann hier heruntergeladen werden.

Rudolf Stratmann, 17.06.2015

"Die klinisch-therapeutische Relevanz der Redox-, pH- und Glukoseabbau-Verschiebungen im Tumorgewebe"

Unter diesem Titel hat Dr. Ionescu, Leiter der Spezialklinik Neukirchen, einen hochinteressanten Artikel veröffentlicht, in der Zeitschrift "Umwelt Medizin Gesellschaft", hier die Zusammenfassung.

Um zu verstehen, welche grundlegende Bedeutung "Redox-Verschiebungen" haben, sollte man sich zunächst Begriffe und Konzepte vor Augen führen.

Hier können ein paar Power-Point-Folien heruntergeladen werden, die in jeder Selbsthilfegruppe zur Klärung des Begriffs "Redox" eingesetzt werden können.

Hilfreich könnte ausserdem sein, sich in unserer Abteilung "Biologische Grundprozesse", hier speziell zu dem Thema "Redox- und pH-Verschiebungen" umzusehen.

 

Dr. Ionescu beginnt mit dieser Einschätzung:

"Eine aktuelle Prognose betreffend die weltweite Prävalenz der Krebserkrankungen sieht eine 70%-ige Erhöhung der Fallzahlen für die nächsten zwei Dekaden (WHO 2015). Diese Entwicklung ist einerseits an die Umwelt-, Ernährungs- und Lifestyle-Faktoren gekoppelt und andererseits an die spärliche Anwendung von Therapien, die die relevanten Stoffwechsel-Merkmale der Krebszellen berücksichtigen. Zu den letzteren gehören signifikante Veränderungen der pH-Werte und der Redox-Potentiale innerhalb und außerhalb der malignen Zellen, deren Energieversorgung durch die aerobe Glykolyse anstelle der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS), die hohe Expression des Nicotinamidadenindinucleotidphasphat (NADPH):Quinon Oxidoreduktasen, der Ausfall bestimmter antioxidativer Enzymsysteme, die hohe Akkumulation von Übergangsmetallen u.a.."

Mit der Idee, mehr an dem unterschiedlichen Stoffwechsel von Krebszellen und Tumoren anzusetzen, steht er nicht alleine, im Gegenteil.

So hat Nobelpreisträger James Watson (Entdecker der DNA-Struktur zusammen mit Francis Crick), in seinem in 2013 veröffentlichten Papier "Oxidants, antioxidants and the current incurability of metastatic cancers" geschrieben: "We must focus much, much more on the wide range of metabolic and oxidative vulnerabilities that arise as consequences of the uncontrolled growth and proliferation capacities of cancer cells." ("Wir müssen uns viel viel mehr auf das grosse Spektrum von Stoffwechsel- und oxidativen Veränderungen konzentrieren, die als Folge des unkontrollierten Wachstums und der Fortpflanzungs-Fähigkeiten von Krebszellen entstehen.")

Anfang 2014 fand in Luxemburg eine Konferenz statt mit dem Titel "Metabolism 2014 - Alterations of metabolic pathways as therapeutic targets".

Eine pubmed-Suche nach "cancer metabolic therapy" erzielt 17.209 Treffer (18.06.2015).

Vor kurzem strahlte ARTE einen französischen Film "CANCER - La piste oubliée" aus, also der vergessene Weg o.ä., leider war der deutsche Titel "KREBS - wohin steuert die Forschung?" etwas irreführend. In diesem Film, der auch auf youtube hochgeladen wurde, geht es im Kern um die Gegenüberstellung von dem herrschenden Krebs-Paradigma, dies sei eine genetische Erkrankung, und der Vorstellung einer Stoffwechsel-Erkrankung.

Krebs-Stoffwechsel - der vergessene Lösungsansatz

Es lohnt sich, diesen ARTE-France Film genauer zu betrachten, denn er bietet sehr kompakt einen Schnell-Einstieg in die grosse Auseinandersetzung, die derzeit zu beobachten ist: Ist die genetische Interpretation des Krebsgeschehens wirklich hilfreich oder sollte nicht besser auf andere Ansätze zurückgegriffen werden? Auch die o.a. Konferenz in Luxemburg Anfang 2014 kommt im 2ten Teil dieses Filmes vor.

"Der Schlüssel zum Verständnis der Krebszelle wäre demnach ihre Versorgung und die Art, wie sie mit den Ressourcen umgeht. Anders ausgedrückt, ihr Stoffwechsel."

An anderer Stelle wird dieser Film ausführlich besprochen, s. dort.

"Signifikante Veränderungen der pH-Werte und der Redox-Potentiale innerhalb und außerhalb der malignen Zellen"

"Die Redox- und pH-Verschiebungen bezeichnen Elektronen- bzw. Protonen-Transferreaktionen in biologischen oder chemischen Systemen. Sie sind eng miteinander verbunden nach der Regel: je niedriger der pH, desto höher das Redoxpotential (Eh) und je höher der pH, desto niedriger das Redoxpotential. Die entsprechenden Abweichungen von der Norm in biologischen Systemen sind seit Jahrzenten unter den Begriffen Oxidose/Redose bzw. Azidose/Alkalose bekannt. Im Hintergrund der Redoxverschiebungen stehen respiratorische oder Stoffwechsel-Einflüsse, wobei die körperliche Bewegung, die Ernährung und die Umweltfaktoren die entscheidenden Rollen spielen."

Wie sehr in einer Krebszelle das innere Milieu geändert ist und durch welche Mechanismen diese Änderungen bewirkt werden, das ist mit dieser von Ionescu gezeigten Übersicht aus Nature Reviews Drug Discovery visualisiert:

"Stoffwechselorientierte Therapieansätze bei Krebspatienten"

Da Dr. Ionescu als Klinik-Leiter die möglichen Therapie-Ansätze für Patienten im Auge hat, führt er in seinem Artikel die folgenden praktischen therapeutischen Möglichkeiten an und schreibt:

"Angesichts der bereits erwähnten genetischen Variabilität der Krebszellen innerhalb eines Tumors und der damit verbundenen Therapieresistenz gewinnen die o. g. molekularbiologischen Grundmerkmale eine besondere Bedeutung für neue Behandlungsansätze. In vitro und in vivo Studien der letzten Jahren sowie unsere eigene Therapieerfahrungen zeigen eine signifikante antiproliferative und pro-apoptotische Wirkung in Tumoren durch:


•   Ausschaltung der intrazellulären Redose mit Hilfe pro-oxidativer Ansätze wie Hyperthermie (IONESCU 2001), kurzes Fasten (3-5 Tage) (BIANCHI et al. 2015, LEE et al. 2011) bzw. ketogene Diät (ABDELWAHAB et al. 2012, REINWALD 2014, ZHOU et al. 2007) und regelmäßige körperliche Bewegung (SIEGMUND-SCHULTZE 2009).

•   Einsatz basischer Lösungen wie Ringer-Laktat oder NaHCO3 zur Pufferung der extrazellulären Azidose mit antiphlogistischer und metastasehemmender Wirkung (FAIS et al. 2014, RAGHUNAND et al. 1999, ROBEY et al. 2009).

•   Hochdosiertes Vitamin C i. v. das in Anwesenheit erhöhter Metallkonzentrationen in den Tumorzellen via Superoxid- und H2O2-Bildung stark pro-oxidativ wirkt (IONESCU et al. 2006a, 2010, IONESCU 2007b, SCHILLING 2014). Die Autooxidation pharmakologisch wirksamer Vit. C Konzentrationen in situ kann somit die Nekrose der Tumorgewebe induzieren.

•   Natürliche Polyphenole, die in Anwesenheit erhöhter Metall­konzentrationen bzw. aktivierter NADPH: Quinon-Oxido­reduktasen maligner Zellen, via ROS und Semi­quinonradikale stark prooxidativ und proapoptotisch wirken (BABICH et al. 2011, IONESCU 2007b, 2014).

•   Einsatz von Protonen-Pumpen-Inhibitoren aus der Ome­prazolfamilie (FAIS 2010, LOW et al. 2009) bzw. von V-ATPase-Inhibitoren wie die Macrolidantibiotika Bafilomycin A und Concanamycin A (OHTA et al. 1998, PÉREZ-SAYÁNS et al. 2009).

•   Hemmung des Na+/H+ Antiporter Systems (NHE1) zwecks intrazellulärer pHi Senkung und Apoptose-Induktion via 5-HMA u. a. Amilorid-Derivate (HARLEY et al. 2010, LAGARDE et al. 1988, MASEREEL et al. 2003, RICH et al. 2000).

•   Carboanhydrase-Hemmung via Acetazolamide (AHLSKOG et al. 2009), Sulphonamide (SUPURAN 2008, 2010), Cumarine, Thiocumarine oder Hydroxy-Cinnamic-Säuren (MARESCA et al. 2009, 2010).

•   Auswahl einer entsprechenden Ernährungsform mit niedrigem glykämischen Index und ketogenen bzw. prooxidativen Eigen­ schaften, die das Tumorwachstum nicht fördert:

-   Arm an Zucker, Mehlprodukten, Zink, Eisen, Nickel, Chrom, Folsäure, Alkohol, Glutamin, Fettperoxiden, Pestiziden, Nitri­ten, Zusatzstoffen, etc. Da die Glukose die Hauptenergie­quelle der Tumorzellen darstellt, soll auf eine Verordnung von Glukose-Infusionen bei Tumorkranken verzichtet werden.
-   Reich an Omega-3 Fettsäuren, Vitamin D3, Carotenoiden, kom­plexen CHOs, hochdosierten Enzympräparaten, Pflanzen­eiweißen, MAP-Aminosäurekomplex (LUCA-MORETTI 2014, REIN­WALD 2014), Sphingolipiden, Phytosterolen, Iso­flavo­noi­den, Poly­phenolen (AWAD et al. 2005), L(+)Milchsäure sowiepro-oxi­dativen Gemüse- und Fruchtsäften (IONESCU 2014, Abb. 4) etc.
•   Hemmung der aeroben Glykolyse mit Hilfe spezifischer In­hi­bitoren der Hexokinase (Londiamine, 2-Deoxyglukose, 3-Brom-Pyruvat), der G6PDH (6-Aminonicotinamid), der Trans­keto­lase TKTL1 (Oxythiamin), der PDK-1 (Dichlorazetat), der Glyceral­dehydphosphat-Dehydrogenase (Clorohydrin, Ornida­zole,Arsenat) und der Laktatdehydrogenase-A (Anti-RNS) bzw. der Glukosetransporter (GLUT1-3) via Genistein, 5-Thioglukose und Mannoheptulose (Abb. 5) (CHEN et al. 2009, IONESCU 2014, MICHELAKIS et al. 2010, RAIS et al. 1999, SCHILLING 2014)."