10.11.2016, Monitor: Die große Luftnummer

"Die große Luftnummer: Kein Klimaschutz beim Flugverkehr

Monitor | 10.11.2016 | 06:17 Min. | Das Erste

Der einstige Vorreiter in Sachen Klimaschutz zieht jetzt blank: Bei der Welt-Klimakonferenz in Marrakesch blamiert sich die Bundesregierung gerade mit ihrem Streit über den Klimaschutzplan. Aber auch international ist nicht überall Klimaschutz drin, wo Klimaschutz draufsteht. Das gilt besonders für einen der größten Klimaschädiger: die Luftfahrt. Das gerade verabschiedete internationale Klima-Abkommen für den Luftverkehr ist in Wahrheit ein Freibrief für die Branche – für mehr Wachstum, zulasten des Klimas."

 

Deutschland Europameister bei der Luftverschmutzung

Mit Datum vom 22.05.2016 berichtet der Journalist Frank-Thomas Wenzel hier und hier von einer Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Grünen:

  • "Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid werden bundesweit überschritten.
  • Die EU-Kommission betreibt deshalb zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung."

'Blauer Himmel' über Deutschland?

R.S., 23.03.2016

Ist Luftverschmutzung in Deutschland immer noch eine relevante Ursache für die Entstehung von Umweltkrankheiten, 55 Jahre nach der Forderung "Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden" von Kanzlerkandidat Willy Brandt?

Leider muss man diese Frage bejahen, erst recht, seit mit dem (VW-)Abgasskandal wieder in die Öffentlichkeit gerückt ist, dass wir aufgrund von Feinstaub und Stickoxiden 40- 60.000 vorzeitige Tode in Deutschland zu beklagen haben. Sehr lehrreich in diesem Zusammenhang der Auftritt von Dr. Axel Friedrich bei Günther Jauch am 27.09.2015, ab Min. 53:27.

Friedrich, früher Leiter des Verkehrs-Ressorts im Umweltbundesamt, hat seine ganz speziellen Erfahrungen mit dem Umgang bundesdeutscher Politiker mit der Luftverschmutzung durch die Produkte der Automobilindustrie machen müssen.

"Diesel-Abgase töten"

Im Rahmen seiner Mitarbeit in der Deutschen Umwelthilfe (DUH) trat er nach der Aufdeckung des VW-Abgasskandals durch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA am 18.09.2015 häufiger als Experte und Kronzeuge in den Medien auf. Einen Tag vorher hatte die DUH die Kampagne "Diesel-Abgase töten" gestartet, siehe hier eine Chronologie des Abgasskandals auf einer DUH-Seite.

Während mit der Enthüllung der betrügerischen Praktiken des VW-Konzerns die mediale Resonanz im September gross war, ist es nach und nach stiller geworden - würde man dieses Verschwinden des Abgas-Skandals von der medialen Bildfläche für ein Ergebnis verantwortungsvoller Berichterstattung halten, müsste der Skandal vorbei sein, gelöst. Ist dem so?

Jens Berger von den Nachdenkseiten beschreibt am 22.03., was Anfang dieser Woche passiert ist: "Wenn Sie sich gestern Abend die Tagesschau angeschaut haben, wurden Sie umfassend informiert; zum Beispiel in einem ausführlichen Korrespondentenbericht darüber, dass ein russisches Gericht eine ukrainische Freischärlerin in Russland wegen des Mordes an zwei Journalisten schuldig gesprochen hat. Auf die gestern in Berlin stattgefundene Pressekonferenz der Deutschen Umwelthilfe zu ihrer „Dieselgate-Halbjahresbilanz“ hatte es kein Kamerateam der öffentlich-rechtlichen Sender geschafft. Hinsichtlich des Informationsauftrags der Öffentlich-Rechtlichen ist allein dies bereits ein Skandal, denn was die Deutsche Umwelthilfe zu berichten hatte, hätte sehr wohl in die Hauptnachrichtensendungen gehört."

Aber bittere Wahrheiten müssen aus den Schlagzeilen wieder verschwinden

Sofern sie dort überhaupt mal angekommen waren. Die DUH und speziell der langjährige Geschäftsführer Jürgen Resch und Dr. Axel Friedrich versuchen schliesslich spätestens seit 2007, die vom VW-Konzern massenhaft betriebene 'vorsätzliche Körperverletzung' (DUH) anzuprangern, s. Chronologie. Aber erst die Intervention der US-Behörde hat den schon die ganze Zeit auch hier in Deutschland, auch hier in Europa stattfindenden Abgas-Skandal in die Schlagzeilen gespült.

Die 'Dieselgate-Halbjahresbilanz' der DUH, hier als Pressemitteilung nachzulesen, hat es in sich. Politik, Justiz und Autohersteller sind schön gemeinsam bemüht, alles unter der Decke zu halten und Autohersteller arbeiten sogar mit offenbar massiven Drohungen gegenüber der DUH.

"PCB: Billiger Baustoff mit bösen Spätfolgen"

Obschon seit 1978 in Baustoffen verboten, stellt verbautes PCB (Polychlorierte Biphenyle) nach wie vor eine Gefahr da, insbesondere für Menschen in Gebäuden, in denen diese hochgiften Weichmacher ausgasen.

Ein TV-Beitrag der Fernsehjournalistin Alexa Höber / NDR vom 23.03.2016 in dem ARD-Magazin 'Plusminus' bringt die heutige Problematik von Luftverschmutzung auf den Punkt:

"Die Gefahr ist unsichtbar. Die Folgen zeigen sich häufig erst spät."

Das ist der Unterschied der Luftverschmutzung heute und damals, als Willy Brandt zum 'blauen Himmel über der Ruhr' aufrief: Zwar sind viele sichtbare Dreckschleudern von damals verschwunden (allerdings werden gegen alle gesundheits- und umweltpolitische Vernunft immer wieder noch neue Dreckschleudern gebaut, s. das neue Kohlekraftwerk von Vattenfall mitten in Hamburg), aber die Anreicherung unsichtbarer Giftstoffe in unserer Umwelt, in der Atemluft und in der Nahrung, ist mitnichten auch verschwunden, im Gegenteil.

Und aufgrund der in der Regel langen Latenzzeit bis zum Ausbruch irgendwelcher eigentlich durch Umweltverschmutzung verursachten Krankheiten trifft zu, was in dem TV-Beitrag über PCB festgestellt wird:

"Die Folgen zeigen sich häufig erst spät. Und dann werden sie selten mit PCB in Verbindung gebracht."

Eine ausführliche Diskussion des krebserzeugenden PCB findet sich hier.